Wenn die Seele weint
Stark bist du nur einzig dort
wo du schwach dich zeigen darfst
ohne Stärke zu provozieren.
Auch ich musste leider feststellen, dass ich nicht mit endloser Kraft gesegnet war, obwohl ich mir dass, von Herzen gewünscht hätte.
Die ersten körperlichen Anzeichen, verdrängte, die weiteren überging, und die letzten Vorzeichen ignorierte ich einfach.
Mein Körper dankte es mir, indem er irgendwann die Notbremse zog.
Erst dann begann ich zu erkennen, dass man all den schwierigen Situationen, nur dann entgegentreten kann, wenn man genügend Kraft und Zuversicht hat, sich bei allem nicht selber vergisst und auch hin und wieder Zeit für sich selber nimmt.
Ich selber glaubte lange Zeit auch, wenn ich mir nur 10 Minuten gegönnt hätte, die Zeit würde meiner Tochter fehlen, und ich hatte deswegen oft ein schlechtes Gewissen.
Bei mir hat es lange gedauert, bis ich, nicht ganz freiwillig, eingesehen habe, dass auch ich Zeit für mich brauche, um Kraft zu sammeln, für meine Tochter da zu sein.
Bisher hatte ich jede Minute meiner Kleinen gewidmet, war ständig in Aufruhr und mein innerer Motor lief Tag und Nacht auf Hochtouren. Ich nahm mir weder Zeit zum Essen, noch zum Schlafen, geschweige denn, um mich mal eine viertel Stunde hin zu setzen. Ausgegangen war ich schon seit Jahren nicht mehr, und langsam aber sicher merkte ich, dass meine Akkus langsam leer wurden.
Konkret spürte ich das, als ich mit einer massiven Infektion zu kämpfen hatte, und selbst die stärksten Medikamente, die mir meine Ärztin Freitags verordnet hatte, nicht mehr anschlugen. Das Gegenteil war der Fall. Mir tat alles weh und es wurde immer schlimmer, ich war kaum noch belastbar und die Schmerzen strahlten in die Beine aus.
Bei der Nach-Untersuchung wenige Tage später schockte sie mich mit dem Satz:
“ Wären Sie doch bitte gestern schon gekommen“ und gab mir vier Stunden Zeit, meine Tasche zu packen, und wies mich direkt für mindestens eine Woche zur stationären Infusionstherapie ein. Ich hatte keine Abwehrkräfte mehr, mein Immunsystem war völlig zusammengebrochen.
Mittlerweile hatten wir 11.00 Uhr. Ich hatte also nur wenig Zeit, um mich für die Klinik vorzubereiten und vor allem mein Kind unterzubringen.
Vor dieser Situation hatte ich mich schon immer gefürchtet.
Ich wusste nicht, wo ich meine Tochter auf die schnelle unterbringen sollte, und wehrte mich heftig, ins Klinikum zu gehen. Sehr direkt und ohne Rücksicht, sagte mir die Ärztin jetzt, wenn ich mich nicht dazu entscheiden sollte, müsste ich damit rechnen, dass sich die Infektion weiter auf die Nervenbahnen ausdehnen würde, und dass ich dann mit schwerwiegenden Komplikationen rechnen müsste.
Dann würde ich mich sicherlich nicht mehr um meine Tochter kümmern können. Dieser Satz brannte sich in mein Gehirn ein.
Kaum Zuhause brach bei mir die Hektik aus. In mir herrschte Chaos.
Ich telefonierte mit Eileen und Helmut vom Hospiz, erklärte ihnen in kurzen Sätzen die Situation und sprach anschließend mit Indra und mit Thomas, die sich sofort auf den Weg zu uns machten. Eileen versprach mir, sich um die Einrichtung zu kümmern, um zu gewährleisten, dass Jennifer noch heute dort unter kam. Danach würde sie mit Helmut zu uns fahren, um Jennifer persönlich in die Institution zu bringen, von der ich letzt endlich überzeugt war. Mir graute davor, meine süße Maus für mindestens 8 Tage nicht sehen zu können, aber mit ins Krankenhaus konnte ich sie ja schlecht nehmen. Es half alles nichts.
Im Laufe der nächsten zwei Stunden klingelte ständig das Telefon und selbst Jennifer schien zu spüren, das etwas im Gange war. Sie wich mir nicht mehr von der Seite.
Ich lief wie ein aufgeschrecktes Huhn, durch meine Wohnung, und war heil froh, als endlich meine Freunde kamen, um mich zu unterstützen. Während ich die Tasche packte, hatte ich ständig meinen Fernsprecher am Ohr. Ich telefonierte mit der Krankenkasse und mit verschiedenen Einrichtungen, inwieweit Möglichkeiten vorhanden waren, meine Tochter in qualifizierte Hände zu geben. Zwischendurch hechtete ich recht ziellos von einem Raum zum nächsten, während Indra zusammen mit meiner Mutter die Wäsche von Jennifer kennzeichnete, die ich ihr mitgeben wollte. Zudem achteten sie darauf, dass ich auch nichts vergaß.
Thomas spielte mit Jennifer im Kinderzimmer und so herrschte während der nächsten Stunden geschäftiges Treiben in meiner Wohnung.
Das Verabschieden von meiner Maus fiel mir unendlich schwer.
Nach unzähligen Telefonaten und Rücksprachen mit der Krankenkasse, zwecks Kostenübernahme, hatte ich mich letztendlich dazu entschlossen, meine Maus ins Kurzzeitinternat für Körperbehinderte nach Würzburg zu geben. Dort war sie meines Erachtens nach am besten für die Zeit aufgehoben, und hatte da auch die besondere Aufsicht, die sie benötigte. Ich konnte ihr nicht erklären, warum Mami weg musste, und so drückte ich sie nur und gab ihr unendlich viele Schmatzer, bevor ich mich schweren Herzens auf den Weg in die Klinik machte.
Es war eine traurige und sehr harte Woche für mich, die mir aber auch die Augen geöffnet hat. Ich brauchte wirklich etwas Zeit für mich, um meine Ressourcen wieder aufzufüllen. Meine Kraft war nicht endlos und die vergangenen Monate und Jahre hatten Spuren hinterlassen. Körperlich wie seelisch.
Ab und zu bekam ich Besuch. Von meiner Familie oder ich telefonierte mit meinen Freundinnen. Auch ....vom Hospiz kam vorbei, um nach dem rechten zu schauen, und vergewisserte sich, dass ich mich auch ja schonte. Ab und zu ging ich in den Park und setzte mich dort in die Sonne. Am Wochenende darauf, fuhr meine Schwester zusammen mit ihrem Mann und unserer Mutter nach Würzburg, um Jennifer zu besuchen. Ich hatte ihr eine neue Biene Maya DVD eingepackt und bat meine Mutter ihr diese von mir zu geben. Dazu hatte ich eine Engelskarte gelegt, auf der ich geschrieben hatte, wie lieb ich sie habe und dass ich mich freute sie bald wieder bei mir zu haben. Wenn Mami wieder gesund war. Am liebsten wäre ich mitgefahren. Ich hielt es kaum aus. Nachdem sie die Geschenke bei mir abgeholt hatten, fuhren sie nach Würzburg.
Knapp 1 ½ Stunden später, erhielt ich von meiner Schwester ein Video per MMS. Aufzeichnungen meiner Maus und von der Einrichtung in der sie seit 6 Tagen untergebracht war.
Ständig rief sie nach mir. Es zerriss mir fast das Herz, als ich hörte, wie sie dauernd nach mir rief und ich sie so traurig in ihrem Buggy sitzen saß, umgeben von meiner Familie, die sie versuchten aufzuheitern.
Die Schwestern hatten Verständnis für meine Situation, und versuchten mich oft aufzumuntern, wenn ich keine Ruhe fand und mit meinem Infusions-Ständer durch die Gänge schlich.
Tagsüber rief ich viele Male an, um zu erfragen, wie es ihr geht, was sie so macht, oder einfach nur, um ihre Stimme zu hören. Sehr geduldig beantworteten mir die Pfleger und Schwestern aus dem Internat alle Fragen.
Nach einer endlos scheinenden Woche durfte ich die Klinik wieder verlassen. Mir ging es körperlich wesentlich besser, aber die Sehnsucht nach meiner kleinen Maus brachte mich fast um. Obgleich mir die Ärzte ans Herz legten, mich noch sehr zu schonen, fuhr ich direkt im Anschluss nach Würzburg, um meine Tochter abzuholen.
Nach einer guten Stunde Fahrt waren wir endlich am Ziel. Ich rannte förmlich und meine zwei Begleiter hatten Mühe mit mir Schritt zu halten. Jennifer war im ersten Stock untergebracht und ich klopfte fest und energisch an die Tür. Ein Betreuer öffnete und nach einer kurzen Begrüßung und kurzem Wortwechsel wusste ich, dass es meiner Kleinen gut ging sie aber noch schlief.
Ich legte mich neben sie hin und streichelte sie, bis sie wach wurde. Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht und dann war auch sie nicht mehr zu halten und krabbelte sofort auf mein Schoß. Eine halbe Ewigkeit verbrachten wir so auf dem Boden und mir liefen schon wieder die Tränen über die Backen. Diesmal vor Erleichterung und Freude. Jennifer total aufgedreht lief von einem zum anderen und warf zur üblichen Begrüßung sämtliche greifbare Spielsachen durch die Gegend.
Nachdem ich mich nochmal bei allen für die schnelle Hilfe und gute Unterbringung bedankt hatte, machten wir uns auf den Weg nach Hause. Ich freute mich auf mein Eigenes Bett und darauf mit meiner Maus endlich wieder zu kuscheln.
Ich versprach mir, in Zukunft besser mit meinen Kräften zu haushalten.
Zu guter Letzt möchte ich noch anmerken, dass es keine Schande ist. Ich weiß aus Erfahrung, dass es bei Gott nicht immer leicht ist,
jeden Tag aufs Neue vor manchmal scheinbar unüberwindbare Herausforderungen oder schier unlösbare Probleme gestellt zu werden. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sich einem
Seelen-Doktor anzuvertrauen, im Gegenteil, ich würde es eher als ein Zeichen von Stärke betrachten. Ich glaube, viele Menschen haben in dieser Hinsicht noch ein falsches Bild von diesen Ärzten, die eigentlich nichts anderes machen, als die anderen Mediziner auch, nur dass sie sich nicht um die körperlichen, sondern um die seelischen Beschwerden kümmern.
Ich weiß, dass die eigene Gesundheit oft hinten an geschoben, und manchmal aus Angst und falscher Scham einfach übergangen wird.
Im Laufe der Zeit stauen sich viele Gefühle an.
All die Enttäuschungen, die unerfüllten Wünsche, alles Negative steckt man weg.
Aber wohin steckt man die vielen Tränen, die man nie geweint hat?
'Sybille Wunderlich
Stark bist du nur einzig dort
wo du schwach dich zeigen darfst
ohne Stärke zu provozieren.
Auch ich musste leider feststellen, dass ich nicht mit endloser Kraft gesegnet war, obwohl ich mir dass, von Herzen gewünscht hätte.
Die ersten körperlichen Anzeichen, verdrängte, die weiteren überging, und die letzten Vorzeichen ignorierte ich einfach.
Mein Körper dankte es mir, indem er irgendwann die Notbremse zog.
Erst dann begann ich zu erkennen, dass man all den schwierigen Situationen, nur dann entgegentreten kann, wenn man genügend Kraft und Zuversicht hat, sich bei allem nicht selber vergisst und auch hin und wieder Zeit für sich selber nimmt.
Ich selber glaubte lange Zeit auch, wenn ich mir nur 10 Minuten gegönnt hätte, die Zeit würde meiner Tochter fehlen, und ich hatte deswegen oft ein schlechtes Gewissen.
Bei mir hat es lange gedauert, bis ich, nicht ganz freiwillig, eingesehen habe, dass auch ich Zeit für mich brauche, um Kraft zu sammeln, für meine Tochter da zu sein.
Bisher hatte ich jede Minute meiner Kleinen gewidmet, war ständig in Aufruhr und mein innerer Motor lief Tag und Nacht auf Hochtouren. Ich nahm mir weder Zeit zum Essen, noch zum Schlafen, geschweige denn, um mich mal eine viertel Stunde hin zu setzen. Ausgegangen war ich schon seit Jahren nicht mehr, und langsam aber sicher merkte ich, dass meine Akkus langsam leer wurden.
Konkret spürte ich das, als ich mit einer massiven Infektion zu kämpfen hatte, und selbst die stärksten Medikamente, die mir meine Ärztin Freitags verordnet hatte, nicht mehr anschlugen. Das Gegenteil war der Fall. Mir tat alles weh und es wurde immer schlimmer, ich war kaum noch belastbar und die Schmerzen strahlten in die Beine aus.
Bei der Nach-Untersuchung wenige Tage später schockte sie mich mit dem Satz:
“ Wären Sie doch bitte gestern schon gekommen“ und gab mir vier Stunden Zeit, meine Tasche zu packen, und wies mich direkt für mindestens eine Woche zur stationären Infusionstherapie ein. Ich hatte keine Abwehrkräfte mehr, mein Immunsystem war völlig zusammengebrochen.
Mittlerweile hatten wir 11.00 Uhr. Ich hatte also nur wenig Zeit, um mich für die Klinik vorzubereiten und vor allem mein Kind unterzubringen.
Vor dieser Situation hatte ich mich schon immer gefürchtet.
Ich wusste nicht, wo ich meine Tochter auf die schnelle unterbringen sollte, und wehrte mich heftig, ins Klinikum zu gehen. Sehr direkt und ohne Rücksicht, sagte mir die Ärztin jetzt, wenn ich mich nicht dazu entscheiden sollte, müsste ich damit rechnen, dass sich die Infektion weiter auf die Nervenbahnen ausdehnen würde, und dass ich dann mit schwerwiegenden Komplikationen rechnen müsste.
Dann würde ich mich sicherlich nicht mehr um meine Tochter kümmern können. Dieser Satz brannte sich in mein Gehirn ein.
Kaum Zuhause brach bei mir die Hektik aus. In mir herrschte Chaos.
Ich telefonierte mit Eileen und Helmut vom Hospiz, erklärte ihnen in kurzen Sätzen die Situation und sprach anschließend mit Indra und mit Thomas, die sich sofort auf den Weg zu uns machten. Eileen versprach mir, sich um die Einrichtung zu kümmern, um zu gewährleisten, dass Jennifer noch heute dort unter kam. Danach würde sie mit Helmut zu uns fahren, um Jennifer persönlich in die Institution zu bringen, von der ich letzt endlich überzeugt war. Mir graute davor, meine süße Maus für mindestens 8 Tage nicht sehen zu können, aber mit ins Krankenhaus konnte ich sie ja schlecht nehmen. Es half alles nichts.
Im Laufe der nächsten zwei Stunden klingelte ständig das Telefon und selbst Jennifer schien zu spüren, das etwas im Gange war. Sie wich mir nicht mehr von der Seite.
Ich lief wie ein aufgeschrecktes Huhn, durch meine Wohnung, und war heil froh, als endlich meine Freunde kamen, um mich zu unterstützen. Während ich die Tasche packte, hatte ich ständig meinen Fernsprecher am Ohr. Ich telefonierte mit der Krankenkasse und mit verschiedenen Einrichtungen, inwieweit Möglichkeiten vorhanden waren, meine Tochter in qualifizierte Hände zu geben. Zwischendurch hechtete ich recht ziellos von einem Raum zum nächsten, während Indra zusammen mit meiner Mutter die Wäsche von Jennifer kennzeichnete, die ich ihr mitgeben wollte. Zudem achteten sie darauf, dass ich auch nichts vergaß.
Thomas spielte mit Jennifer im Kinderzimmer und so herrschte während der nächsten Stunden geschäftiges Treiben in meiner Wohnung.
Das Verabschieden von meiner Maus fiel mir unendlich schwer.
Nach unzähligen Telefonaten und Rücksprachen mit der Krankenkasse, zwecks Kostenübernahme, hatte ich mich letztendlich dazu entschlossen, meine Maus ins Kurzzeitinternat für Körperbehinderte nach Würzburg zu geben. Dort war sie meines Erachtens nach am besten für die Zeit aufgehoben, und hatte da auch die besondere Aufsicht, die sie benötigte. Ich konnte ihr nicht erklären, warum Mami weg musste, und so drückte ich sie nur und gab ihr unendlich viele Schmatzer, bevor ich mich schweren Herzens auf den Weg in die Klinik machte.
Es war eine traurige und sehr harte Woche für mich, die mir aber auch die Augen geöffnet hat. Ich brauchte wirklich etwas Zeit für mich, um meine Ressourcen wieder aufzufüllen. Meine Kraft war nicht endlos und die vergangenen Monate und Jahre hatten Spuren hinterlassen. Körperlich wie seelisch.
Ab und zu bekam ich Besuch. Von meiner Familie oder ich telefonierte mit meinen Freundinnen. Auch ....vom Hospiz kam vorbei, um nach dem rechten zu schauen, und vergewisserte sich, dass ich mich auch ja schonte. Ab und zu ging ich in den Park und setzte mich dort in die Sonne. Am Wochenende darauf, fuhr meine Schwester zusammen mit ihrem Mann und unserer Mutter nach Würzburg, um Jennifer zu besuchen. Ich hatte ihr eine neue Biene Maya DVD eingepackt und bat meine Mutter ihr diese von mir zu geben. Dazu hatte ich eine Engelskarte gelegt, auf der ich geschrieben hatte, wie lieb ich sie habe und dass ich mich freute sie bald wieder bei mir zu haben. Wenn Mami wieder gesund war. Am liebsten wäre ich mitgefahren. Ich hielt es kaum aus. Nachdem sie die Geschenke bei mir abgeholt hatten, fuhren sie nach Würzburg.
Knapp 1 ½ Stunden später, erhielt ich von meiner Schwester ein Video per MMS. Aufzeichnungen meiner Maus und von der Einrichtung in der sie seit 6 Tagen untergebracht war.
Ständig rief sie nach mir. Es zerriss mir fast das Herz, als ich hörte, wie sie dauernd nach mir rief und ich sie so traurig in ihrem Buggy sitzen saß, umgeben von meiner Familie, die sie versuchten aufzuheitern.
Die Schwestern hatten Verständnis für meine Situation, und versuchten mich oft aufzumuntern, wenn ich keine Ruhe fand und mit meinem Infusions-Ständer durch die Gänge schlich.
Tagsüber rief ich viele Male an, um zu erfragen, wie es ihr geht, was sie so macht, oder einfach nur, um ihre Stimme zu hören. Sehr geduldig beantworteten mir die Pfleger und Schwestern aus dem Internat alle Fragen.
Nach einer endlos scheinenden Woche durfte ich die Klinik wieder verlassen. Mir ging es körperlich wesentlich besser, aber die Sehnsucht nach meiner kleinen Maus brachte mich fast um. Obgleich mir die Ärzte ans Herz legten, mich noch sehr zu schonen, fuhr ich direkt im Anschluss nach Würzburg, um meine Tochter abzuholen.
Nach einer guten Stunde Fahrt waren wir endlich am Ziel. Ich rannte förmlich und meine zwei Begleiter hatten Mühe mit mir Schritt zu halten. Jennifer war im ersten Stock untergebracht und ich klopfte fest und energisch an die Tür. Ein Betreuer öffnete und nach einer kurzen Begrüßung und kurzem Wortwechsel wusste ich, dass es meiner Kleinen gut ging sie aber noch schlief.
Ich legte mich neben sie hin und streichelte sie, bis sie wach wurde. Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht und dann war auch sie nicht mehr zu halten und krabbelte sofort auf mein Schoß. Eine halbe Ewigkeit verbrachten wir so auf dem Boden und mir liefen schon wieder die Tränen über die Backen. Diesmal vor Erleichterung und Freude. Jennifer total aufgedreht lief von einem zum anderen und warf zur üblichen Begrüßung sämtliche greifbare Spielsachen durch die Gegend.
Nachdem ich mich nochmal bei allen für die schnelle Hilfe und gute Unterbringung bedankt hatte, machten wir uns auf den Weg nach Hause. Ich freute mich auf mein Eigenes Bett und darauf mit meiner Maus endlich wieder zu kuscheln.
Ich versprach mir, in Zukunft besser mit meinen Kräften zu haushalten.
Zu guter Letzt möchte ich noch anmerken, dass es keine Schande ist. Ich weiß aus Erfahrung, dass es bei Gott nicht immer leicht ist,
jeden Tag aufs Neue vor manchmal scheinbar unüberwindbare Herausforderungen oder schier unlösbare Probleme gestellt zu werden. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sich einem
Seelen-Doktor anzuvertrauen, im Gegenteil, ich würde es eher als ein Zeichen von Stärke betrachten. Ich glaube, viele Menschen haben in dieser Hinsicht noch ein falsches Bild von diesen Ärzten, die eigentlich nichts anderes machen, als die anderen Mediziner auch, nur dass sie sich nicht um die körperlichen, sondern um die seelischen Beschwerden kümmern.
Ich weiß, dass die eigene Gesundheit oft hinten an geschoben, und manchmal aus Angst und falscher Scham einfach übergangen wird.
Im Laufe der Zeit stauen sich viele Gefühle an.
All die Enttäuschungen, die unerfüllten Wünsche, alles Negative steckt man weg.
Aber wohin steckt man die vielen Tränen, die man nie geweint hat?
'Sybille Wunderlich
Sybille
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