Walsch hat wiederum einen ungewöhnlichen Dialog
niedergeschrieben. Mit Gottes eigenen Worten erzählt er, was
es bedeutet, Gott zum Freund zu haben. Dieser Gott ist keine
richtende und strafende Macht, sondern ein Gott der Liebe und der
Barmherzigkeit. Und um seinetwillen brauchen wir uns auch nicht
schuldig fühlen, religiöse Regeln zu verletzen. Denn alle Religionen
sind nur verschiedene Zugänge zu jener höchsten Wirklichkeit, die
Gott im Leben jedes Menschen zum Ausdruck kommen lässt.
Walsch
wird von vielen Lesern gefragt, warum Gott ausgerechnet zu ihm
gesprochen hat. Die Antwort auf diese Frage ist zugleich die Botschaft
des Buches. Gott verweigert sich keinem. Er ist der liebende Freund
aller Menschen und spricht zu jedem. Wir müssen nur hinhören.
Indem wir fragen und Antworten empfangen, vertieft sich unsere
Beziehung zu Gott, bis aus den Gesprächen Freundschaft erwächst.
Leseprobe
Einleitung
Versuchen Sie mal jemandem zu erzählen, dass Sie gerade ein
Gespräch mit Gott hatten, und schauen Sie, was passiert…
Ich kann Ihnen sagen, was passiert.
Ihr ganzes Leben verändert sich.
Erstens, weil Sie dieses Gespräch hatten, und zweitens, weil
Sie jemandem davon erzählen.
Ich sollte erwähnen, dass ich selbst mehr als nur ein Gespräch
hatte. Ich führte sechs Jahre lang ein Zwiegespräch mit Gott.
Und ich habe mehr getan als nur jemandem davon »erzählt«.
Ich habe die Gespräche protokolliert und dann an einen Verleger
geschickt.
Seither haben sich die Dinge auf sehr interessante und auch
ein bisschen überraschende Weise entwickelt.
Die erste Überraschung war, dass der Verleger das Material tatsächlich
las und sogar ein Buch daraus machte. Die zweite
Überraschung war, dass die Leute das Buch tatsächlich kauften
und es zudem ihren Freunden empfahlen. Die dritte Überraschung
war, dass diese Freunde es ihren Freunden empfahlen,
und das Buch sogar ein Bestseller wurde. Die vierte
Überraschung war, dass die Übersetzungsrechte bisher in siebenundzwanzig
Länder verkauft worden sind. Die fünfte Überraschung
ist, dass in Anbetracht des Coautors des Buches irgendetwas
davon überraschend war.
Wenn Gott sagt, dass er etwas tun wird, dann können Sie sich
darauf verlassen. Gott kriegt immer, was sie will.
Gott sagte mitten in unserem Dialog, den ich für eine Privatangelegenheit
hielt, dass eines Tages ein Buch daraus werden
würde. Ich glaubte ihm nicht. Natürlich, denn ich habe zwei
Drittel von dem, was er mir seit dem Tag meiner Geburt sagte,
nicht geglaubt. Das war das Problem. Nicht nur mit mir, sondern
mit der ganzen Menschheit.
Wenn wir nur einfach zuhörten…
Das veröffentlichte Buch bekam, nicht unbedingt sehr originell,
den Titel Gespräche mit Gott. Nun glauben Sie möglicherweise
nicht, dass ich ein solches Gespräch führte, und für
mich besteht keine Notwendigkeit, dass Sie es glauben. Es ändert
nichts an der Tatsache, dass dieses Gespräch stattfand.
Falls Sie es nicht glauben wollen, können Sie sehr viel leichter
alles, was mir in diesem Gespräch mitgeteilt wurde, einfach
abtun – und manche Leute taten das auch. Andererseits
gab es viele Menschen, die ein solches Gespräch nicht nur für
möglich hielten, sondern eine solche Kommunikation zum
regelmäßigen Bestandteil ihres Lebens machten. Keine eingleisige,
sondern eine zweigleisige Unterhaltung. Doch diese Menschen
haben darauf zu achten gelernt, wem sie davon erzählen.
Denn wie sich herausstellt, werden Leute, die sagen, dass
sie jeden Tag zu Gott sprechen, als fromm bezeichnet, jene aber
als verrückt abgestempelt, die sagen, dass Gott jeden Tag zu
ihnen spricht.
Was mich angeht, so ist das vollkommen in Ordnung. Wie ich
schon erwähnte, besteht für mich keine Notwendigkeit, dass
irgendjemand irgendetwas von dem glaubt, was ich sage. Tatsächlich
ist es mir lieber, wenn die Menschen auf ihr eigenes
Herz hören, zu ihrer eigenen Wahrheit finden, ihren eigenen
Ratschlag suchen, zu ihrer eigenen Weisheit gelangen und,
wenn sie es wünschen, ihr eigenes Gespräch mit Gott führen.
Wenn irgendetwas von dem, was ich sage, sie dazu führt, das
zu tun – wenn es sie dazu bringt, ihre Lebensweise und ihre
bisherigen Glaubenssätze in Frage zu stellen, ihre eigenen Erfahrungen
umfassender zu erkunden, sich tiefer ihrer eigenen
Wahrheit zu verpflichten – dann war das Berichten von meinen
eigenen Erfahrungen eine ziemlich gute Idee.
Ich glaube, das war von Anfang an die Idee. Ja, ich bin davon
überzeugt. Deshalb wurde Band 1 von Gespräche mit Gott ein
Bestseller, und ebenso die folgenden Bände 2 und 3. Und ich
glaube, auch das Buch, das Sie jetzt lesen, hat den Weg in Ihre
Hände gefunden, damit Sie sich wieder einmal wundern und
Fragen stellen, nach Ihrer eigenen Wahrheit suchen und sie erforschen
können – nur diesmal im Zusammenhang mit einem
noch umfassenderen Thema: Ist es möglich, mehr als nur ein
Gespräch mit Gott zu führen? Ist es möglich, eine richtige
Freundschaft mit Gott zu haben?
Dieses Buch beantwortet diese Frage mit Ja und sagt Ihnen
auch, wie das geht. In Gottes eigenen Worten. Denn glücklicherweise
setzt sich unser Dialog in diesem Buch fort, führt
uns zu neuen Orten und wiederholt auf eindrückliche Weise
einiges von dem, was mir früher mitgeteilt wurde.
Ich erkenne, dass meine Gespräche mit Gott in dieser Art vonstatten
gehen. Sie sind zyklisch angelegt, blicken zurück auf
das, was schon besprochen wurde, und begeben sich dann in
atemberaubenden Spiralen auf neues Territorium. Diese Herangehensweise
– zwei Schritte vor, einen Schritt zurück – ermöglicht
es mir, die bisher übermittelten Weisheiten zu
berücksichtigen und sie fest in meinem Bewusstsein zu verankern,
um so eine solide Grundlage für weitere Erkenntnisse zu
schaffen.
Das ist der Prozess. Er ist nicht unbeabsichtigt. Zunächst fand
ich ihn ein bisschen frustrierend, aber nun schätze ich seine
Wirkungsweise zutiefst. Denn wenn wir Gottes Weisheit fest
in unserem Bewusstsein verwurzeln, hat das Einfluss auf unser
Bewusstsein. Wir erwecken es. Wir heben es. Und dadurch verstehen
wir mehr, erinnern wir uns allmählich umfassender an
Wer Wir Wirklich Sind und fangen an, das auch zu demonstrieren.
Ich werde in diesem Buch ein wenig über meine Vergangenheit
und die Veränderungen berichten, die sich seit der Veröffentlichung
der Gespräche mit Gott-Trilogie für mein Leben ergeben
haben. Eine Menge Leute haben mich danach gefragt und
das ist verständlich. Sie wollen etwas über diesen Typ wissen,
der erklärt, dass er gelegentlich mit dem da oben ein Schwätzchen
hält. Doch dies ist nicht der Grund, warum ich die Anekdoten
aus meinem Leben zum Besten gebe. Die Schnipsel aus
meiner »Biografie« sind nicht Bestandteil dieses Buches, um
die Neugier der Leute zu befriedigen, sondern sollen zeigen,
wie es ist, wenn man eine Freundschaft mit Gott hat – und dass
alles in unserem Leben immer wieder denselben Punkt demonstriert.
Das ist natürlich die Botschaft. Wir alle haben eine Freundschaft
mit Gott, ob wir es wissen oder nicht.
Ich war einer von denen, die es nicht wussten. Und ich wusste
auch nicht, wohin mich diese Freundschaft führen konnte.
Das ist hier die große Überraschung; das ist das Wunder. Nicht
so sehr die Tatsache, dass wir eine Freundschaft mit Gott haben
können und haben, sondern was uns diese Freundschaft
bringen – und wohin sie uns führen kann.
Wir befinden uns hier auf einer Reise. Diese Freundschaft, die
zu entwickeln wir eingeladen sind, hat einen Sinn und Zweck,
einen Grund für ihre Existenz. Bis vor kurzem kannte ich diesen
Grund nicht. Ich hatte mich nicht erinnert. Jetzt, da ich
mich erinnere, fürchte ich Gott nicht länger, und das hat mein
Leben verändert.
In diesem Buch (und auch in meinem Leben) stelle ich immer
noch eine Menge Fragen. Aber nun liefere ich auch Antworten.
Das ist hier der Unterschied, ist das, was sich verändert
hat. Ich spreche nun mit Gott und nicht nur zu Gott. Ich gehe
an der Seite Gottes und folge ihm nicht bloß.
Es ist mein tiefster Wunsch, dass auch Ihr Leben sich so ändern
möge wie das meine; dass auch Sie mit der Hilfe und Anleitung
dieses Buches eine echte und ganz reale Freundschaft
mit Gott entwickeln und dass Sie in der Folge mit einer neuen
Autorität Ihre Worte sprechen und Ihr Leben leben werden.
Ich hoffe, dass Sie nicht länger ein Suchender oder eine Suchende,
sondern ein Bringer oder eine Bringerin des Lichts sein
werden. Denn das, was Sie bringen, werden Sie finden.
Gott, so scheint es, hält nicht so sehr nach Gefolgsleuten als
vielmehr nach führenden Personen Ausschau. Wir können
Gott folgen oder andere zu Gott führen. Ersteres wird uns verändern,
Letzteres wird die Welt verändern.
Neale Donald Walsch
Ashland, Oregon
Juli 1999
Ich kann mich noch genau daran erinnern, wann ich beschloss,
ich müsse mich vor Gott fürchten. Das war, als Er sagte, dass
meine Mutter in die Hölle kommen würde.
Na gut, genau genommen hat nicht Er es gesagt, sondern jemand
an seiner Stelle.
Ich war etwa sechs Jahre alt und meine Mutter, die sich für so
etwas wie eine Mystikerin hielt, legte an unserem Küchentisch
für eine Freundin die Karten. Es kamen ständig Leute zu
uns ins Haus, um zu sehen, welche Weissagungen sie einem
ganz gewöhnlichen Päckchen Spielkarten zu entlocken vermochte.
Sie war gut, so sagten die Leute, und still und heimlich
machte das Wort von ihren Fähigkeiten die Runde.
Als meine Mutter an jenem speziellen Tag die Karten legte,
kam ihre Schwester überraschend zu Besuch. Ich kann mich
entsinnen, dass meine Tante, die nur einmal kurz angeklopft
hatte und dann durch die Hintertür hereingestürmt kam, von
der Szene, die sich ihren Blicken bot, nicht besonders begeistert
war. Meine Mutter benahm sich, als sei sie bei etwas, das
sie nicht tun sollte, erwischt worden. Sie stellte verlegen ihre
Freundin vor, raffte schnell die Karten zusammen und verstaute
sie in ihrer Küchenschürze.
Für den Augenblick wurde kein Wort darüber verloren, aber
später kam meine Tante zu mir in den Garten, wo ich inzwischen
spielte, um sich zu verabschieden.
»Weißt du«, sagte sie, während ich sie zum Auto begleitete,
»deine Mutter sollte den Leuten nicht aus diesen Karten weissagen,
Gott wird sie bestrafen.«
»Warum?«, fragte ich.
»Weil sie mit dem Teufel Umgang hat« – ich erinnere mich
noch an diesen schaurigen Satz, weil er mir auf ganz besondere
Weise in den Ohren klang – »und Gott sie schnurstracks in die
Hölle schicken wird.« Das sagte sie so vergnügt, als verkünde
sie, dass es morgen regnen wird. Bis auf den heutigen Tag erinnere
ich mich daran, dass ich vor Angst bebte, während sie
rückwärts aus der Einfahrt fuhr. Ich fürchtete mich zu Tode,
weil meine Mutter Gott so schrecklich erzürnt hatte. Und von
diesem Augenblick an war die Angst vor Gott tief in mir eingewurzelt.
Wie konnte Gott, der doch der allergütigste Schöpfer des Universums
war, meine Mutter mit ewiger Verdammnis bestrafen
wollen, wo meine Mutter doch das allergütigste Geschöpf in
meinem Leben war? Das wollte mein sechsjähriger Verstand
unbedingt wissen. Und so kam ich zur Schlussfolgerung eines
Sechsjährigen: Wenn Gott grausam genug war, meiner Mutter,
die in den Augen aller, die sie kannten, praktisch eine Heilige
war, so etwas anzutun, dann musste es sehr leicht sein, ihn auf
die Palme zu bringen – leichter noch als meinen Vater – und
das hieß, dass wir uns alle sehr vorsehen mussten.
Ich habe mich viele Jahre lang vor Gott gefürchtet, weil meine
Angst ständig genährt wurde.
Ich erinnere mich daran, dass mir im Religionsunterricht in
der zweiten Klasse gesagt wurde, ein ungetauftes Baby würde
nicht in den Himmel kommen. Das schien selbst uns Zweitklässlern
so unwahrscheinlich zu sein, dass wir versuchten die
Nonne mit trickreichen Fragen in die Enge zu treiben. Fragen
wie: »Schwester, was ist, wenn die Eltern mit dem Baby schon
unterwegs zur Taufe sind und dann die ganze Familie bei einem
schrecklichen Autounfall ums Leben kommt? Kommt das
Baby dann nicht mit seinen Eltern in den Himmel?«
Unsere Nonne muss noch aus der alten Schule gewesen sein:
»Nein«, seufzte sie tief, »ich fürchte nicht.« Denn für sie war
eine Doktrin eine Doktrin ohne Ausnahmen.
»Aber wohin kommt dann das Baby?«, fragte einer meiner
Schulkameraden. »In die Hölle oder ins Fegefeuer?« (In einem
guten katholischen Haushalt weiß bereits ein Neunjähriger genau,
was die »Hölle« ist.)
»Das Baby kommt dann weder in die Hölle noch ins Fegefeuer
«, erklärte uns die Schwester. »Das Baby kommt in die
Vorhölle.«
Die Vorhölle?
Die Vorhölle, so wurden wir aufgeklärt, war der Ort, wohin
Gott Babys und andere Menschen schickte, die, ohne in dem
einen wahren Glauben getauft worden zu sein, ohne eigenes
Verschulden starben. Sie wurden nicht gerade bestraft, konnten
aber nie Gott zu sehen bekommen.
Das ist der Gott, mit dem ich aufwuchs.
Eine solche Angst vor Gott wird in vielen Religionen erzeugt,
ja sie wird sogar von vielen Religionen genährt und geschürt.
Ich kann Ihnen sagen, bei mir brauchte niemand noch zu nähren
und zu schüren. Wenn Sie denken, dass mir die Sache mit
der Vorhölle Angst und Schrecken einjagte, dann warten Sie
ab, bis Sie die Story vom Weltuntergang hören.
Irgendwann in den frühen Fünfzigerjahren hörte ich die Geschichte
von den Kindern von Fatima. Das ist ein Ort in Portugal
nördlich von Lissabon, wo die Heilige Jungfrau einem
jungen Mädchen und seinen Cousinen mehrmals erschienen
sein soll. Und Folgendes wurde mir darüber erzählt:
Die Heilige Jungfrau übergab den Kindern einen Brief an die
Welt, der an den Papst persönlich weitergeleitet werden sollte.
Dieser sollte dann den Brief öffnen, seinen Inhalt lesen, ihn
dann wieder versiegeln und seine Botschaft, falls nötig, Jahre
später der Öffentlichkeit verkünden.
Der Papst soll, nachdem er den Brief gelesen hatte, drei Tage
lang geweint haben. Dieser, so war zu hören, enthielt Schreckliches
darüber, wie tief Gott von uns enttäuscht war, und Einzelheiten
darüber, wie er die Welt bestrafen müsse, sollten wir
seine nunmehr letzte Warnung nicht beherzigen und unser
Verhalten ändern. Das würde das Ende der Welt und Stöhnen
und Zähneknirschen und unglaubliche Qual bedeuten.
Gott, so wurde uns im Religionsunterricht gesagt, war zornig
genug, um uns auf der Stelle zu bestrafen, aber er hatte Erbarmen
mit uns und gab uns auf Fürbitten der Heiligen Jungfrau
Maria hin diese eine letzte Chance.
Die Geschichte von der Marienerscheinung in Fatima erfüllte
mein Herz mit Entsetzen. Ich rannte nach Hause und fragte
meine Mutter, ob das wahr sei. Sie antwortete, dass es so sein
müsse, wenn die Priester und Nonnen uns das sagten. Nervös
und ängstlich bedrängten wir Kinder in der Klasse die Schwester
mit Fragen, was wir tun könnten.
»Geht jeden Tag zur Messe«, riet sie uns. »Betet am Abend euren
Rosenkranz und absolviert regelmäßig die Kreuzstationen.
Geht einmal in der Woche zur Beichte. Tut Buße und opfert
euer Leiden Gott als Beweis dafür, dass ihr euch von der Sünde
abgewandt habt. Empfangt die heilige Kommunion. Und bereut
jeden Abend vor dem Einschlafen alle eure Sünden und
bittet um Absolution, damit ihr, falls ihr vor dem Aufwachen
abberufen werdet, würdig seid, in die Versammlung der Heiligen
im Himmel aufgenommen zu werden.«
Tatsächlich war ich nie auf den Gedanken gekommen, dass ich
möglicherweise nicht bis zum nächsten Morgen am Leben
bleiben würde, bis mir in der Schule folgendes Kindergebet beigebracht
wurde…
Now I lay me down to sleep
I pray the Lord my soul to keep.
And if I die before I wake,
I pray the Lord my soul to take.
(Lieber Gott, in dieser Nacht / halt über meiner Seele Wacht /
und wenn ich sterb noch vor dem Morgenschein / lass meine
Seele bei dir sein.)
Es dauerte nur ein paar Wochen und ich fürchtete mich vor
dem Zubettgehen. Ich weinte jede Nacht und kein Mensch
konnte herausfinden, was los war. Bis auf den heutigen Tag ist
die Möglichkeit, dass ich ganz plötzlich sterbe, eine fixe Idee
von mir. Wenn ich das Haus verlasse, um wegzufliegen – oder
auch manchmal, wenn ich nur zum Supermarkt fahre –, sage
ich zu meiner Frau Nancy: »Wenn ich nicht zurückkomme,
dann denk daran, dass ich dir als Letztes gesagt habe: ›Ich liebe
dich.‹« Inzwischen ist das zu einem Dauerwitz geworden, aber
ein kleiner Teil in mir meint es todernst.
Meine nächste Begegnung mit der Angst vor Gott ereignete
sich, als ich dreizehn war. Frankie Schultz, der in meiner Kindheit
mein Babysitter gewesen war und uns gegenüber wohnte,
heiratete. Und er bat mich – mich! –, einer seiner Trauzeugen
zu sein! Meine Güte, war ich stolz. Bis ich es in der Schule der
Nonne erzählte.
»Wo findet die Eheschließung statt?«, fragte sie misstrauisch.
Ich nannte ihr die Kirche.
Ihre Stimme wurde eisig. »Das ist eine lutherische Kirche,
nicht wahr?«
»Nun, ich weiß nicht. Ich habe nicht gefragt. Ich nehme an…«
»Es ist eine lutherische Kirche, und da gehst du nicht hin.«
»Warum nicht?«
»Es ist dir verboten«, erklärte sie, und es lag ein Ton von Endgültigkeit
in ihrer Stimme.
»Aber warum?«, fragte ich dennoch beharrlich nach.
Die Schwester sah mich an, als könne sie nicht glauben, dass
ich mich weiterhin zu fragen erdreistete. Dann, eindeutig aus
einer tiefen inneren Quelle unendlicher Geduld schöpfend,
blinkte sie zweimal mit den Augen und lächelte.
»Mein Kind, Gott möchte dich nicht in einer heidnischen Kirche
haben«, erklärte sie. »Die Leute, die dort hingehen, glauben
nicht das, was wir glauben. Sie lehren nicht die Wahrheit.
Es ist eine Sünde, in irgendeine andere als in die katholische
Kirche zu gehen. Es tut mir Leid, dass dein Freund Frankie sich
entschieden hat, dort zu heiraten. Gott wird diese Ehe nicht
segnen.«
»Schwester«, fragte ich, ihre Toleranzschwelle schon weit,
weit überschritten habend, »was ist, wenn ich trotzdem Trauzeuge
bin?«
»Nun dann, wehe dir«, erwiderte sie aufrichtig bekümmert.
Das war ziemlich massiv. Gott war ein harter Bursche. Da
durfte man nicht aus der Reihe tanzen.
Doch ich tanzte aus der Reihe. Ich wollte, ich könnte behaupten,
dass ich für meinen Protest höhere moralische Gründe anführte,
aber in Wahrheit konnte ich den Gedanken nicht ertragen,
dann mein weißes Jackett (mit einer rosa Nelke – genauso
einer, wie Pat Boone sie besang!) nicht ausführen zu können.
Ich beschloss, niemandem zu erzählen, was die Nonne gesagt
hatte, und ging zu dieser Hochzeit. Junge, hatte ich Angst! Sie
glauben vielleicht, dass ich übertreibe, aber ich wartete tatsächlich
den ganzen Tag darauf, dass Gott mich niederstreckte.
Und während der Hochzeitszeremonie wartete ich auf die lutherischen
Lügen, vor denen ich gewarnt worden war, aber der
Geistliche sagte nur herzenswarme und wunderbare Dinge, die
alle Leute in der Kirche zum Weinen brachten. Doch am Ende
der Zeremonie war ich nass geschwitzt.
An diesem Abend bat ich Gott auf Händen und Knien um Vergebung
für meinen Fehltritt. (Oh mein Gott, es tut mir von Herzen
Leid, dass ich mich gegen dich vergangen habe…) Ich lag
stundenlang im Bett und fürchtete mich davor einzuschlafen.
Und ich wiederholte immer und immer wieder, und wenn ich
sterb noch vor dem Morgenschein, lass meine Seele bei dir sein.
Diese Geschichten aus meiner Kindheit – und da gäbe es noch
viele mehr – habe ich Ihnen aus einem bestimmten Grund erzählt.
Ich möchte Ihnen eindrücklich vermitteln, wie real
meine Angst vor Gott war. Und meine Geschichte ist keineswegs
einzigartig oder einmalig.
Wie ich schon sagte, stehen nicht nur die Römisch-Katholischen
in angsterstarrter Haltung vor dem Herrn. Weit gefehlt.
Die halbe Weltbevölkerung glaubt, dass Gott es ihnen »heimzahlen
« wird, wenn sie keine guten Menschen sind. Die Fundamentalisten
vieler Religionen schüren die Angst in den Herzen
vieler ihrer Anhänger. Du kannst dies nicht tun. Du kannst
das nicht tun. Hör auf, oder Gott wird dich bestrafen. Und wir
sprechen hier nicht über so grundlegende Verbote wie »du
sollst nicht töten«. Wir sprechen davon, dass Gott verstimmt
ist, wenn du am Freitag Fleisch isst (obwohl er in dieser Hinsicht
seine Meinung geändert hat), oder wenn du an irgendeinem
Wochentag Schweinefleisch verzehrst oder wenn du dich
scheiden lässt. Dies ist ein Gott, den du dadurch erzürnst, dass
du als Frau dein Gesicht nicht verschleierst oder nicht einmal
im Leben Mekka aufsuchst oder nicht in all deinen Aktivitäten
innehältst, den Teppich ausrollst und dich fünfmal am Tag
niederwirfst, oder nicht im Tempel heiratest oder nicht zur
Beichte gehst oder jeden Sonntag in die Kirche oder was auch
immer.
Wir müssen uns vor Gott in Acht nehmen. Das Problem ist
nur, dass es so schwer ist, die Regeln zu kennen, weil es so viele
gibt. Und das Allerschwierigste an der Sache ist, dass jedermanns
Regeln die Richtigen sind. So sagen sie jedenfalls. Doch
die Regeln können nicht alle richtig sein. Wie soll man also
auswählen, wie kann man es wissen? Das ist eine bohrende
Frage und keine unwesentliche angesichts dessen, dass Gott
uns anscheinend nur einen sehr kleinen Raum für Irrtümer zubilligt.
Und jetzt kommt da ein Buch mit dem Titel Freundschaft mit
Gott daher. Was kann das bedeuten? Wie kann das sein? Ist es
möglich, dass Gott am Ende doch gar nicht dieser heilige Desperado
ist? Könnte es sein, dass ungetaufte Babys in den Himmel
kommen? Dass das Tragen eines Schleiers, sich gegen Osten
zu verbeugen, ein zölibatäres Leben oder der Verzicht auf
Schweinefleisch nicht im Geringsten etwas mit Gott zu tun
haben? Dass Allah uns bedingungslos liebt? Dass Jehova uns
am Ende aller Tage alle auswählt, um bei ihm zu sein?
Und noch verwirrender: Ist es möglich, dass wir uns auf Gott
gar nicht als einen »Er« beziehen sollten? Könnte Gott eine
Frau sein? Oder – noch unglaublicher – keinem Geschlecht angehören?
Für eine Person, die so wie ich erzogen wurde, kann allein schon
das Denken solcher Gedanken als Sünde betrachtet werden.
Doch wir müssen sie denken. Wir müssen uns ihnen stellen.
Unser blinder Glaube hat uns in eine Sackgasse geführt. Die
Menschheit ist, was ihre spirituelle Evolution angeht, in den
letzten zweitausend Jahren nicht sehr weit gekommen. Wir haben
Lehrer um Lehrer, Meister um Meister, Lektion um Lektion
angehört und legen immer noch dasselbe Verhalten an den
Tag, das seit Anbeginn der Zeit unserer Spezies Leid und Elend
bereitet hat.
Wir töten immer noch unsere eigene Art, managen unsere Welt
auf der Basis von Macht und Gier, unterdrücken unsere Gesellschaft
in sexueller Hinsicht, misshandeln unsere Kinder und
erziehen sie falsch, ignorieren das Leiden, ja erzeugen es sogar.
Seit Christi Geburt sind zweitausend Jahre vergangen, seit
Buddhas Zeit zweitausendfünfhundert und noch länger ist es
her, dass wir zum ersten Mal die Worte des Konfuzius oder die
Weisheitslehren des Dao vernahmen, und wir haben noch immer
nicht die Hauptfragen geklärt. Wird es je eine Möglichkeit
geben, die Antworten, die wir bereits erhalten haben, in etwas
zu verwandeln, mit dem sich arbeiten lässt, das in unserem
Alltagsleben funktioniert?
Ich denke, es gibt sie. Ja, ich bin mir da ziemlich sicher, weil
ich dieses Thema in meinen Gesprächen mit Gott ausgiebig
erörtert habe.
niedergeschrieben. Mit Gottes eigenen Worten erzählt er, was
es bedeutet, Gott zum Freund zu haben. Dieser Gott ist keine
richtende und strafende Macht, sondern ein Gott der Liebe und der
Barmherzigkeit. Und um seinetwillen brauchen wir uns auch nicht
schuldig fühlen, religiöse Regeln zu verletzen. Denn alle Religionen
sind nur verschiedene Zugänge zu jener höchsten Wirklichkeit, die
Gott im Leben jedes Menschen zum Ausdruck kommen lässt.
Walsch
wird von vielen Lesern gefragt, warum Gott ausgerechnet zu ihm
gesprochen hat. Die Antwort auf diese Frage ist zugleich die Botschaft
des Buches. Gott verweigert sich keinem. Er ist der liebende Freund
aller Menschen und spricht zu jedem. Wir müssen nur hinhören.
Indem wir fragen und Antworten empfangen, vertieft sich unsere
Beziehung zu Gott, bis aus den Gesprächen Freundschaft erwächst.
Leseprobe
Einleitung
Versuchen Sie mal jemandem zu erzählen, dass Sie gerade ein
Gespräch mit Gott hatten, und schauen Sie, was passiert…
Ich kann Ihnen sagen, was passiert.
Ihr ganzes Leben verändert sich.
Erstens, weil Sie dieses Gespräch hatten, und zweitens, weil
Sie jemandem davon erzählen.
Ich sollte erwähnen, dass ich selbst mehr als nur ein Gespräch
hatte. Ich führte sechs Jahre lang ein Zwiegespräch mit Gott.
Und ich habe mehr getan als nur jemandem davon »erzählt«.
Ich habe die Gespräche protokolliert und dann an einen Verleger
geschickt.
Seither haben sich die Dinge auf sehr interessante und auch
ein bisschen überraschende Weise entwickelt.
Die erste Überraschung war, dass der Verleger das Material tatsächlich
las und sogar ein Buch daraus machte. Die zweite
Überraschung war, dass die Leute das Buch tatsächlich kauften
und es zudem ihren Freunden empfahlen. Die dritte Überraschung
war, dass diese Freunde es ihren Freunden empfahlen,
und das Buch sogar ein Bestseller wurde. Die vierte
Überraschung war, dass die Übersetzungsrechte bisher in siebenundzwanzig
Länder verkauft worden sind. Die fünfte Überraschung
ist, dass in Anbetracht des Coautors des Buches irgendetwas
davon überraschend war.
Wenn Gott sagt, dass er etwas tun wird, dann können Sie sich
darauf verlassen. Gott kriegt immer, was sie will.
Gott sagte mitten in unserem Dialog, den ich für eine Privatangelegenheit
hielt, dass eines Tages ein Buch daraus werden
würde. Ich glaubte ihm nicht. Natürlich, denn ich habe zwei
Drittel von dem, was er mir seit dem Tag meiner Geburt sagte,
nicht geglaubt. Das war das Problem. Nicht nur mit mir, sondern
mit der ganzen Menschheit.
Wenn wir nur einfach zuhörten…
Das veröffentlichte Buch bekam, nicht unbedingt sehr originell,
den Titel Gespräche mit Gott. Nun glauben Sie möglicherweise
nicht, dass ich ein solches Gespräch führte, und für
mich besteht keine Notwendigkeit, dass Sie es glauben. Es ändert
nichts an der Tatsache, dass dieses Gespräch stattfand.
Falls Sie es nicht glauben wollen, können Sie sehr viel leichter
alles, was mir in diesem Gespräch mitgeteilt wurde, einfach
abtun – und manche Leute taten das auch. Andererseits
gab es viele Menschen, die ein solches Gespräch nicht nur für
möglich hielten, sondern eine solche Kommunikation zum
regelmäßigen Bestandteil ihres Lebens machten. Keine eingleisige,
sondern eine zweigleisige Unterhaltung. Doch diese Menschen
haben darauf zu achten gelernt, wem sie davon erzählen.
Denn wie sich herausstellt, werden Leute, die sagen, dass
sie jeden Tag zu Gott sprechen, als fromm bezeichnet, jene aber
als verrückt abgestempelt, die sagen, dass Gott jeden Tag zu
ihnen spricht.
Was mich angeht, so ist das vollkommen in Ordnung. Wie ich
schon erwähnte, besteht für mich keine Notwendigkeit, dass
irgendjemand irgendetwas von dem glaubt, was ich sage. Tatsächlich
ist es mir lieber, wenn die Menschen auf ihr eigenes
Herz hören, zu ihrer eigenen Wahrheit finden, ihren eigenen
Ratschlag suchen, zu ihrer eigenen Weisheit gelangen und,
wenn sie es wünschen, ihr eigenes Gespräch mit Gott führen.
Wenn irgendetwas von dem, was ich sage, sie dazu führt, das
zu tun – wenn es sie dazu bringt, ihre Lebensweise und ihre
bisherigen Glaubenssätze in Frage zu stellen, ihre eigenen Erfahrungen
umfassender zu erkunden, sich tiefer ihrer eigenen
Wahrheit zu verpflichten – dann war das Berichten von meinen
eigenen Erfahrungen eine ziemlich gute Idee.
Ich glaube, das war von Anfang an die Idee. Ja, ich bin davon
überzeugt. Deshalb wurde Band 1 von Gespräche mit Gott ein
Bestseller, und ebenso die folgenden Bände 2 und 3. Und ich
glaube, auch das Buch, das Sie jetzt lesen, hat den Weg in Ihre
Hände gefunden, damit Sie sich wieder einmal wundern und
Fragen stellen, nach Ihrer eigenen Wahrheit suchen und sie erforschen
können – nur diesmal im Zusammenhang mit einem
noch umfassenderen Thema: Ist es möglich, mehr als nur ein
Gespräch mit Gott zu führen? Ist es möglich, eine richtige
Freundschaft mit Gott zu haben?
Dieses Buch beantwortet diese Frage mit Ja und sagt Ihnen
auch, wie das geht. In Gottes eigenen Worten. Denn glücklicherweise
setzt sich unser Dialog in diesem Buch fort, führt
uns zu neuen Orten und wiederholt auf eindrückliche Weise
einiges von dem, was mir früher mitgeteilt wurde.
Ich erkenne, dass meine Gespräche mit Gott in dieser Art vonstatten
gehen. Sie sind zyklisch angelegt, blicken zurück auf
das, was schon besprochen wurde, und begeben sich dann in
atemberaubenden Spiralen auf neues Territorium. Diese Herangehensweise
– zwei Schritte vor, einen Schritt zurück – ermöglicht
es mir, die bisher übermittelten Weisheiten zu
berücksichtigen und sie fest in meinem Bewusstsein zu verankern,
um so eine solide Grundlage für weitere Erkenntnisse zu
schaffen.
Das ist der Prozess. Er ist nicht unbeabsichtigt. Zunächst fand
ich ihn ein bisschen frustrierend, aber nun schätze ich seine
Wirkungsweise zutiefst. Denn wenn wir Gottes Weisheit fest
in unserem Bewusstsein verwurzeln, hat das Einfluss auf unser
Bewusstsein. Wir erwecken es. Wir heben es. Und dadurch verstehen
wir mehr, erinnern wir uns allmählich umfassender an
Wer Wir Wirklich Sind und fangen an, das auch zu demonstrieren.
Ich werde in diesem Buch ein wenig über meine Vergangenheit
und die Veränderungen berichten, die sich seit der Veröffentlichung
der Gespräche mit Gott-Trilogie für mein Leben ergeben
haben. Eine Menge Leute haben mich danach gefragt und
das ist verständlich. Sie wollen etwas über diesen Typ wissen,
der erklärt, dass er gelegentlich mit dem da oben ein Schwätzchen
hält. Doch dies ist nicht der Grund, warum ich die Anekdoten
aus meinem Leben zum Besten gebe. Die Schnipsel aus
meiner »Biografie« sind nicht Bestandteil dieses Buches, um
die Neugier der Leute zu befriedigen, sondern sollen zeigen,
wie es ist, wenn man eine Freundschaft mit Gott hat – und dass
alles in unserem Leben immer wieder denselben Punkt demonstriert.
Das ist natürlich die Botschaft. Wir alle haben eine Freundschaft
mit Gott, ob wir es wissen oder nicht.
Ich war einer von denen, die es nicht wussten. Und ich wusste
auch nicht, wohin mich diese Freundschaft führen konnte.
Das ist hier die große Überraschung; das ist das Wunder. Nicht
so sehr die Tatsache, dass wir eine Freundschaft mit Gott haben
können und haben, sondern was uns diese Freundschaft
bringen – und wohin sie uns führen kann.
Wir befinden uns hier auf einer Reise. Diese Freundschaft, die
zu entwickeln wir eingeladen sind, hat einen Sinn und Zweck,
einen Grund für ihre Existenz. Bis vor kurzem kannte ich diesen
Grund nicht. Ich hatte mich nicht erinnert. Jetzt, da ich
mich erinnere, fürchte ich Gott nicht länger, und das hat mein
Leben verändert.
In diesem Buch (und auch in meinem Leben) stelle ich immer
noch eine Menge Fragen. Aber nun liefere ich auch Antworten.
Das ist hier der Unterschied, ist das, was sich verändert
hat. Ich spreche nun mit Gott und nicht nur zu Gott. Ich gehe
an der Seite Gottes und folge ihm nicht bloß.
Es ist mein tiefster Wunsch, dass auch Ihr Leben sich so ändern
möge wie das meine; dass auch Sie mit der Hilfe und Anleitung
dieses Buches eine echte und ganz reale Freundschaft
mit Gott entwickeln und dass Sie in der Folge mit einer neuen
Autorität Ihre Worte sprechen und Ihr Leben leben werden.
Ich hoffe, dass Sie nicht länger ein Suchender oder eine Suchende,
sondern ein Bringer oder eine Bringerin des Lichts sein
werden. Denn das, was Sie bringen, werden Sie finden.
Gott, so scheint es, hält nicht so sehr nach Gefolgsleuten als
vielmehr nach führenden Personen Ausschau. Wir können
Gott folgen oder andere zu Gott führen. Ersteres wird uns verändern,
Letzteres wird die Welt verändern.
Neale Donald Walsch
Ashland, Oregon
Juli 1999
Ich kann mich noch genau daran erinnern, wann ich beschloss,
ich müsse mich vor Gott fürchten. Das war, als Er sagte, dass
meine Mutter in die Hölle kommen würde.
Na gut, genau genommen hat nicht Er es gesagt, sondern jemand
an seiner Stelle.
Ich war etwa sechs Jahre alt und meine Mutter, die sich für so
etwas wie eine Mystikerin hielt, legte an unserem Küchentisch
für eine Freundin die Karten. Es kamen ständig Leute zu
uns ins Haus, um zu sehen, welche Weissagungen sie einem
ganz gewöhnlichen Päckchen Spielkarten zu entlocken vermochte.
Sie war gut, so sagten die Leute, und still und heimlich
machte das Wort von ihren Fähigkeiten die Runde.
Als meine Mutter an jenem speziellen Tag die Karten legte,
kam ihre Schwester überraschend zu Besuch. Ich kann mich
entsinnen, dass meine Tante, die nur einmal kurz angeklopft
hatte und dann durch die Hintertür hereingestürmt kam, von
der Szene, die sich ihren Blicken bot, nicht besonders begeistert
war. Meine Mutter benahm sich, als sei sie bei etwas, das
sie nicht tun sollte, erwischt worden. Sie stellte verlegen ihre
Freundin vor, raffte schnell die Karten zusammen und verstaute
sie in ihrer Küchenschürze.
Für den Augenblick wurde kein Wort darüber verloren, aber
später kam meine Tante zu mir in den Garten, wo ich inzwischen
spielte, um sich zu verabschieden.
»Weißt du«, sagte sie, während ich sie zum Auto begleitete,
»deine Mutter sollte den Leuten nicht aus diesen Karten weissagen,
Gott wird sie bestrafen.«
»Warum?«, fragte ich.
»Weil sie mit dem Teufel Umgang hat« – ich erinnere mich
noch an diesen schaurigen Satz, weil er mir auf ganz besondere
Weise in den Ohren klang – »und Gott sie schnurstracks in die
Hölle schicken wird.« Das sagte sie so vergnügt, als verkünde
sie, dass es morgen regnen wird. Bis auf den heutigen Tag erinnere
ich mich daran, dass ich vor Angst bebte, während sie
rückwärts aus der Einfahrt fuhr. Ich fürchtete mich zu Tode,
weil meine Mutter Gott so schrecklich erzürnt hatte. Und von
diesem Augenblick an war die Angst vor Gott tief in mir eingewurzelt.
Wie konnte Gott, der doch der allergütigste Schöpfer des Universums
war, meine Mutter mit ewiger Verdammnis bestrafen
wollen, wo meine Mutter doch das allergütigste Geschöpf in
meinem Leben war? Das wollte mein sechsjähriger Verstand
unbedingt wissen. Und so kam ich zur Schlussfolgerung eines
Sechsjährigen: Wenn Gott grausam genug war, meiner Mutter,
die in den Augen aller, die sie kannten, praktisch eine Heilige
war, so etwas anzutun, dann musste es sehr leicht sein, ihn auf
die Palme zu bringen – leichter noch als meinen Vater – und
das hieß, dass wir uns alle sehr vorsehen mussten.
Ich habe mich viele Jahre lang vor Gott gefürchtet, weil meine
Angst ständig genährt wurde.
Ich erinnere mich daran, dass mir im Religionsunterricht in
der zweiten Klasse gesagt wurde, ein ungetauftes Baby würde
nicht in den Himmel kommen. Das schien selbst uns Zweitklässlern
so unwahrscheinlich zu sein, dass wir versuchten die
Nonne mit trickreichen Fragen in die Enge zu treiben. Fragen
wie: »Schwester, was ist, wenn die Eltern mit dem Baby schon
unterwegs zur Taufe sind und dann die ganze Familie bei einem
schrecklichen Autounfall ums Leben kommt? Kommt das
Baby dann nicht mit seinen Eltern in den Himmel?«
Unsere Nonne muss noch aus der alten Schule gewesen sein:
»Nein«, seufzte sie tief, »ich fürchte nicht.« Denn für sie war
eine Doktrin eine Doktrin ohne Ausnahmen.
»Aber wohin kommt dann das Baby?«, fragte einer meiner
Schulkameraden. »In die Hölle oder ins Fegefeuer?« (In einem
guten katholischen Haushalt weiß bereits ein Neunjähriger genau,
was die »Hölle« ist.)
»Das Baby kommt dann weder in die Hölle noch ins Fegefeuer
«, erklärte uns die Schwester. »Das Baby kommt in die
Vorhölle.«
Die Vorhölle?
Die Vorhölle, so wurden wir aufgeklärt, war der Ort, wohin
Gott Babys und andere Menschen schickte, die, ohne in dem
einen wahren Glauben getauft worden zu sein, ohne eigenes
Verschulden starben. Sie wurden nicht gerade bestraft, konnten
aber nie Gott zu sehen bekommen.
Das ist der Gott, mit dem ich aufwuchs.
Eine solche Angst vor Gott wird in vielen Religionen erzeugt,
ja sie wird sogar von vielen Religionen genährt und geschürt.
Ich kann Ihnen sagen, bei mir brauchte niemand noch zu nähren
und zu schüren. Wenn Sie denken, dass mir die Sache mit
der Vorhölle Angst und Schrecken einjagte, dann warten Sie
ab, bis Sie die Story vom Weltuntergang hören.
Irgendwann in den frühen Fünfzigerjahren hörte ich die Geschichte
von den Kindern von Fatima. Das ist ein Ort in Portugal
nördlich von Lissabon, wo die Heilige Jungfrau einem
jungen Mädchen und seinen Cousinen mehrmals erschienen
sein soll. Und Folgendes wurde mir darüber erzählt:
Die Heilige Jungfrau übergab den Kindern einen Brief an die
Welt, der an den Papst persönlich weitergeleitet werden sollte.
Dieser sollte dann den Brief öffnen, seinen Inhalt lesen, ihn
dann wieder versiegeln und seine Botschaft, falls nötig, Jahre
später der Öffentlichkeit verkünden.
Der Papst soll, nachdem er den Brief gelesen hatte, drei Tage
lang geweint haben. Dieser, so war zu hören, enthielt Schreckliches
darüber, wie tief Gott von uns enttäuscht war, und Einzelheiten
darüber, wie er die Welt bestrafen müsse, sollten wir
seine nunmehr letzte Warnung nicht beherzigen und unser
Verhalten ändern. Das würde das Ende der Welt und Stöhnen
und Zähneknirschen und unglaubliche Qual bedeuten.
Gott, so wurde uns im Religionsunterricht gesagt, war zornig
genug, um uns auf der Stelle zu bestrafen, aber er hatte Erbarmen
mit uns und gab uns auf Fürbitten der Heiligen Jungfrau
Maria hin diese eine letzte Chance.
Die Geschichte von der Marienerscheinung in Fatima erfüllte
mein Herz mit Entsetzen. Ich rannte nach Hause und fragte
meine Mutter, ob das wahr sei. Sie antwortete, dass es so sein
müsse, wenn die Priester und Nonnen uns das sagten. Nervös
und ängstlich bedrängten wir Kinder in der Klasse die Schwester
mit Fragen, was wir tun könnten.
»Geht jeden Tag zur Messe«, riet sie uns. »Betet am Abend euren
Rosenkranz und absolviert regelmäßig die Kreuzstationen.
Geht einmal in der Woche zur Beichte. Tut Buße und opfert
euer Leiden Gott als Beweis dafür, dass ihr euch von der Sünde
abgewandt habt. Empfangt die heilige Kommunion. Und bereut
jeden Abend vor dem Einschlafen alle eure Sünden und
bittet um Absolution, damit ihr, falls ihr vor dem Aufwachen
abberufen werdet, würdig seid, in die Versammlung der Heiligen
im Himmel aufgenommen zu werden.«
Tatsächlich war ich nie auf den Gedanken gekommen, dass ich
möglicherweise nicht bis zum nächsten Morgen am Leben
bleiben würde, bis mir in der Schule folgendes Kindergebet beigebracht
wurde…
Now I lay me down to sleep
I pray the Lord my soul to keep.
And if I die before I wake,
I pray the Lord my soul to take.
(Lieber Gott, in dieser Nacht / halt über meiner Seele Wacht /
und wenn ich sterb noch vor dem Morgenschein / lass meine
Seele bei dir sein.)
Es dauerte nur ein paar Wochen und ich fürchtete mich vor
dem Zubettgehen. Ich weinte jede Nacht und kein Mensch
konnte herausfinden, was los war. Bis auf den heutigen Tag ist
die Möglichkeit, dass ich ganz plötzlich sterbe, eine fixe Idee
von mir. Wenn ich das Haus verlasse, um wegzufliegen – oder
auch manchmal, wenn ich nur zum Supermarkt fahre –, sage
ich zu meiner Frau Nancy: »Wenn ich nicht zurückkomme,
dann denk daran, dass ich dir als Letztes gesagt habe: ›Ich liebe
dich.‹« Inzwischen ist das zu einem Dauerwitz geworden, aber
ein kleiner Teil in mir meint es todernst.
Meine nächste Begegnung mit der Angst vor Gott ereignete
sich, als ich dreizehn war. Frankie Schultz, der in meiner Kindheit
mein Babysitter gewesen war und uns gegenüber wohnte,
heiratete. Und er bat mich – mich! –, einer seiner Trauzeugen
zu sein! Meine Güte, war ich stolz. Bis ich es in der Schule der
Nonne erzählte.
»Wo findet die Eheschließung statt?«, fragte sie misstrauisch.
Ich nannte ihr die Kirche.
Ihre Stimme wurde eisig. »Das ist eine lutherische Kirche,
nicht wahr?«
»Nun, ich weiß nicht. Ich habe nicht gefragt. Ich nehme an…«
»Es ist eine lutherische Kirche, und da gehst du nicht hin.«
»Warum nicht?«
»Es ist dir verboten«, erklärte sie, und es lag ein Ton von Endgültigkeit
in ihrer Stimme.
»Aber warum?«, fragte ich dennoch beharrlich nach.
Die Schwester sah mich an, als könne sie nicht glauben, dass
ich mich weiterhin zu fragen erdreistete. Dann, eindeutig aus
einer tiefen inneren Quelle unendlicher Geduld schöpfend,
blinkte sie zweimal mit den Augen und lächelte.
»Mein Kind, Gott möchte dich nicht in einer heidnischen Kirche
haben«, erklärte sie. »Die Leute, die dort hingehen, glauben
nicht das, was wir glauben. Sie lehren nicht die Wahrheit.
Es ist eine Sünde, in irgendeine andere als in die katholische
Kirche zu gehen. Es tut mir Leid, dass dein Freund Frankie sich
entschieden hat, dort zu heiraten. Gott wird diese Ehe nicht
segnen.«
»Schwester«, fragte ich, ihre Toleranzschwelle schon weit,
weit überschritten habend, »was ist, wenn ich trotzdem Trauzeuge
bin?«
»Nun dann, wehe dir«, erwiderte sie aufrichtig bekümmert.
Das war ziemlich massiv. Gott war ein harter Bursche. Da
durfte man nicht aus der Reihe tanzen.
Doch ich tanzte aus der Reihe. Ich wollte, ich könnte behaupten,
dass ich für meinen Protest höhere moralische Gründe anführte,
aber in Wahrheit konnte ich den Gedanken nicht ertragen,
dann mein weißes Jackett (mit einer rosa Nelke – genauso
einer, wie Pat Boone sie besang!) nicht ausführen zu können.
Ich beschloss, niemandem zu erzählen, was die Nonne gesagt
hatte, und ging zu dieser Hochzeit. Junge, hatte ich Angst! Sie
glauben vielleicht, dass ich übertreibe, aber ich wartete tatsächlich
den ganzen Tag darauf, dass Gott mich niederstreckte.
Und während der Hochzeitszeremonie wartete ich auf die lutherischen
Lügen, vor denen ich gewarnt worden war, aber der
Geistliche sagte nur herzenswarme und wunderbare Dinge, die
alle Leute in der Kirche zum Weinen brachten. Doch am Ende
der Zeremonie war ich nass geschwitzt.
An diesem Abend bat ich Gott auf Händen und Knien um Vergebung
für meinen Fehltritt. (Oh mein Gott, es tut mir von Herzen
Leid, dass ich mich gegen dich vergangen habe…) Ich lag
stundenlang im Bett und fürchtete mich davor einzuschlafen.
Und ich wiederholte immer und immer wieder, und wenn ich
sterb noch vor dem Morgenschein, lass meine Seele bei dir sein.
Diese Geschichten aus meiner Kindheit – und da gäbe es noch
viele mehr – habe ich Ihnen aus einem bestimmten Grund erzählt.
Ich möchte Ihnen eindrücklich vermitteln, wie real
meine Angst vor Gott war. Und meine Geschichte ist keineswegs
einzigartig oder einmalig.
Wie ich schon sagte, stehen nicht nur die Römisch-Katholischen
in angsterstarrter Haltung vor dem Herrn. Weit gefehlt.
Die halbe Weltbevölkerung glaubt, dass Gott es ihnen »heimzahlen
« wird, wenn sie keine guten Menschen sind. Die Fundamentalisten
vieler Religionen schüren die Angst in den Herzen
vieler ihrer Anhänger. Du kannst dies nicht tun. Du kannst
das nicht tun. Hör auf, oder Gott wird dich bestrafen. Und wir
sprechen hier nicht über so grundlegende Verbote wie »du
sollst nicht töten«. Wir sprechen davon, dass Gott verstimmt
ist, wenn du am Freitag Fleisch isst (obwohl er in dieser Hinsicht
seine Meinung geändert hat), oder wenn du an irgendeinem
Wochentag Schweinefleisch verzehrst oder wenn du dich
scheiden lässt. Dies ist ein Gott, den du dadurch erzürnst, dass
du als Frau dein Gesicht nicht verschleierst oder nicht einmal
im Leben Mekka aufsuchst oder nicht in all deinen Aktivitäten
innehältst, den Teppich ausrollst und dich fünfmal am Tag
niederwirfst, oder nicht im Tempel heiratest oder nicht zur
Beichte gehst oder jeden Sonntag in die Kirche oder was auch
immer.
Wir müssen uns vor Gott in Acht nehmen. Das Problem ist
nur, dass es so schwer ist, die Regeln zu kennen, weil es so viele
gibt. Und das Allerschwierigste an der Sache ist, dass jedermanns
Regeln die Richtigen sind. So sagen sie jedenfalls. Doch
die Regeln können nicht alle richtig sein. Wie soll man also
auswählen, wie kann man es wissen? Das ist eine bohrende
Frage und keine unwesentliche angesichts dessen, dass Gott
uns anscheinend nur einen sehr kleinen Raum für Irrtümer zubilligt.
Und jetzt kommt da ein Buch mit dem Titel Freundschaft mit
Gott daher. Was kann das bedeuten? Wie kann das sein? Ist es
möglich, dass Gott am Ende doch gar nicht dieser heilige Desperado
ist? Könnte es sein, dass ungetaufte Babys in den Himmel
kommen? Dass das Tragen eines Schleiers, sich gegen Osten
zu verbeugen, ein zölibatäres Leben oder der Verzicht auf
Schweinefleisch nicht im Geringsten etwas mit Gott zu tun
haben? Dass Allah uns bedingungslos liebt? Dass Jehova uns
am Ende aller Tage alle auswählt, um bei ihm zu sein?
Und noch verwirrender: Ist es möglich, dass wir uns auf Gott
gar nicht als einen »Er« beziehen sollten? Könnte Gott eine
Frau sein? Oder – noch unglaublicher – keinem Geschlecht angehören?
Für eine Person, die so wie ich erzogen wurde, kann allein schon
das Denken solcher Gedanken als Sünde betrachtet werden.
Doch wir müssen sie denken. Wir müssen uns ihnen stellen.
Unser blinder Glaube hat uns in eine Sackgasse geführt. Die
Menschheit ist, was ihre spirituelle Evolution angeht, in den
letzten zweitausend Jahren nicht sehr weit gekommen. Wir haben
Lehrer um Lehrer, Meister um Meister, Lektion um Lektion
angehört und legen immer noch dasselbe Verhalten an den
Tag, das seit Anbeginn der Zeit unserer Spezies Leid und Elend
bereitet hat.
Wir töten immer noch unsere eigene Art, managen unsere Welt
auf der Basis von Macht und Gier, unterdrücken unsere Gesellschaft
in sexueller Hinsicht, misshandeln unsere Kinder und
erziehen sie falsch, ignorieren das Leiden, ja erzeugen es sogar.
Seit Christi Geburt sind zweitausend Jahre vergangen, seit
Buddhas Zeit zweitausendfünfhundert und noch länger ist es
her, dass wir zum ersten Mal die Worte des Konfuzius oder die
Weisheitslehren des Dao vernahmen, und wir haben noch immer
nicht die Hauptfragen geklärt. Wird es je eine Möglichkeit
geben, die Antworten, die wir bereits erhalten haben, in etwas
zu verwandeln, mit dem sich arbeiten lässt, das in unserem
Alltagsleben funktioniert?
Ich denke, es gibt sie. Ja, ich bin mir da ziemlich sicher, weil
ich dieses Thema in meinen Gesprächen mit Gott ausgiebig
erörtert habe.
WE Are ONE.
Without doubts.
Forever.
Without doubts.
Forever.